Vor dem Haus

Da ich ihm bereits den Rücken zugedreht hatte und ihm voraus lief, konnte ich auch sein Grinsen nicht mehr sehen, was vielleicht auch besser so war. Ich hatte mich wohl dabei erwischt zu freundlich zu ihm gewesen zu sein, indem ich mich bei ihm entschuldigt hatte, weshalb ich eben im selben Atemzug auch wieder widersprechen musste. Eigentlich sollte ja eher er sich bei mir entschuldigen, dafür dass er mich gefangen gehalten hatte. Aber darauf konnte ich wohl lange warten. Was er sich da geleistet hatte, war in seinen Augen nicht falsch gewesen. Vermutlich würde er es wieder tun. Ich schluckte bei dem Gedanken. "Sorry, kleines Spürnäschen, aber was soll ich denn machen, wenn du so langsam bist?" Kurz schaute ich zu ihm, ehe ich auch schon weiter lief.

"Ich bin nicht langsam , ich bin nur gründlich. Ich dachte ich soll auch der richtigen Spur folgen und nicht irgendeiner x beliebigen." wollte sie mir jetzt sagen wie man Spuren verfolgt ?

"SO war das doch gar nicht gemeint! Natürlich soll es gründlich sein, aber..." Ich sprach nicht weiter, sondern seufzte nur mehr leise. "Okay, wir sollten uns mehr auf die Suche konzentrieren und nicht darauf, uns zu zanken, als ob wir ein altes Ehepaar wären. Besser wäre es, wenn zwischen uns jetzt sowas wie Funkstille herrscht, während du weiterschnüffelst. Wir haben einander ja sowieso nichts mehr zu sagen. Außer du willst unbedingt noch etwas loswerden, dann raus damit. Eine verspätete Entschuldigung, zum Beispiel?" Ich suchte seinen Blick und schaute ihn erwartungsvoll an.

"Entschuldigen ? Solltest DU das nicht ? Du hast mich in einer meiner dunkelsten Stunde allein gelassen. In einer Situation in der ich ein leichtes Opfer für jeden gewesen wäre. " man konnte mir meine Betroffenheit und meine Wut anhören. Gut man hätte mich nicht töten können , aber verletzen und auch ICH spürte Schmerzen wie jeder andere auch. Allein schon Kol hoffte und wartete immer auf eine Gelegenheit mir etwas heimzuzahlen.

Meine Augen wurden immer größer. "Wie bitte? Ich?" Ich hatte mich ja wohl nur verhört! Jetzt sollte ich ein weiteres Mal um Verzeihung bitten. Dass ich einfach gegangen war, schien ihn echt schwer getroffen zu haben. Dabei war er derjenige, der von Anfang an falsch gehandelt hatte. "Hast du zu heiß gebadet, oder was? Sagen wir es mal so, wenn du mir etwas mehr Freiheit gelassen hättest, wäre ich vielleicht auch bei dir geblieben. Aber du hast dich mir gegenüber einfach wie ein Arsch benommen!" Er hatte mir ja nicht wehgetan, oder mich gefoltert, aber trotzdem hatte er mich gewissermaßen eingeengt, mir die Luft abgeschnürt, indem ich pausenlos unter Beobachtung gestanden war. Außerdem, er und ein leichtes Opfer? Er war doch unbesiegbar und meiner Meinung nach bauschte er das alles etwas auf.

"Warum schaust du mich so ungläubig an ?" wollte ich wissen. Sie konnte sich nicht vorstellen was ich durchgemacht hatte als ich erwachte aus diesem Alptraum und allein war. Alsmir klar wurde , dass sie mich verlassen hatte.
Ich wollte es ihr erklären , doch sollte ich es. Sie schien nicht glauben zu wollen das ich mich verletzlich gefühlt hatte.

"Das fragst du noch?" Wahrscheinlich würde jeder glauben, dass ich einen Geist gesehen hätte, so groß wie meine Augen nun waren. "Gib es doch zu, dass du das Ganze aufbauschst. Selbst durch deinen Nervenzusammenbruch hätte dir niemand erheblich schaden können. Du hättest deinen Ruf als knallharter, unbesiegbarer Hybride behalten. Du bist einfach nur wütend auf mich, weil ich gegen deinen Willen gehandelt habe. Du kannst es nicht haben, wenn jemand nicht nach deiner Pfeife tanzt." Wenn es nach ihm gegangen wäre, würde ich jetzt immer noch bei ihm festsitzen. "Aber glaub mir, ich wollte zurückkommen." flüsterte ich dann. Nachdem ich zu meinen Freunden gelaufen war und seine Rache gefürchtet hatte, wollte ich zurück zu ihm, doch hatte ich mich überreden lassen, mich nicht selbst ans Messer zu liefern.

"Was wenn Kol mich so gefunden hätte ?" fragte ich sie. "Er hasst mich und würde mich am liesbten bei lebendigen Leibe verbrennen , wenn auch nur 1 Prozent die Chance besthen würde das ich dabei drauf gehen könnte. " sie kannte doch Kol und seine hinterlistigen Pläne. Dann hörte ich ihre leisen Worte. "Du wolltest zurück kommen ?" hörte ich mich selbst ungläubig fragen.

"Wenn man dich so anhört, dann scheint dich JEDER zu hassen. Zumindest glaubst du das." Gut, manchmal da bekam man das Gefühl, das er es so wollte, dass andere ihn hassten und fürchteten.  Als ob er es genau darauf anlegen würde. "Aber es stimmt nicht." flüsterte ich, wobei ich näher auf ihn zutrat. Klar, Kol war wahnsinnig, das gab ich zu, aber trotzdem, das war in dieser Familie irgendwie jeder, mehr oder weniger. Diese Familie war kompliziert. Und Klaus war paranoid. "Und ja, ich wollte zurückkommen." Vielleicht aus den falschen Gründen, aber ich hatte es dennoch vorgehabt.

"Gut , dann werde ich dir das mal glauben. Und du brauchst dich nicht mehr auf den Weg zu meinem Haus machen , denn ICH bin dir entgegen gekommen ." ich verdrehte die Dinge gerade so wie es mir passte.

"Das kannst du mir auch glauben. Ich will nämlich ehrlich zu dir sein." Deswegen hatte ich ihm dieses Detail auch verraten. Egal wie kurz der Moment gewesen war, in dem ich zu ihm zurückwollte, er war da gewesen und Klaus sollte es wissen. Doch wieso wurde ich das Gefühl nicht los, das er gerade mal wieder alles so drehte und wendete, wie es ihm in den Kram passte? "Wow, in der Tat. Wie überaus nett von dir. Dabei habe ich dich nicht mal gebeten, mir entgegen zu kommen." Ich schüttelte kurz den Kopf. "Achja, hat es wenigstens Spaß gemacht vor meinem Haus rumzustalken bis ich aufgetaucht bin?"

"Es hat sich gelohnt auf den Höhepunkt deines Auftauchens zu warten , also JA es hat sich gelohnt." ich grinste sie leicht an und dann zog ich sie sanft einen schmalen Weg entlang, wo die Fährte weiter führte.

"Dann hattest du ja Glück, dass ich gekommen bin. Sonst hätte es diesen Höhepunkt nicht gegeben. Dann hättest du wohl ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut." Hatte er tatsächlich auf mich gewartet, oder hatte er anfangs vorgehabt meiner Mom eine Art von 'Besuch' abzustatten? Das würde er mir wohl eher nicht verraten. Letztlich zog er mich mit sich einen ziemlich schmalen Weg entlang. "Bist du der Meinung, dass ich nicht alleine gehen kann?" murmelte ich ihm zu, wobei ich mich aber weiter von ihm führen ließ.

"Doch aber ich wollte eine deine Hand halten ." sagte ich zu ihr. Wenn ein ganz normaler Typ das bei ihr machen würde , wäre diese Geste für sie ganz selbstverständlich und gut zu verstehen. Nur wenn ICH so etwas tat , wollte sie jedesmal den Grund wissen. Oder schimpfte einfach so mal drauf los.

Wow, wie überaus aufschlussreich seine Antwort doch war. Er wollte einfach so meine Hand halten. Grundlos, oder mit Hintergedanken? Bei ihm wusste man das ja leider nie. Oder machte ich eine zu große Sache daraus? Es war ja nur Händchenhalten, nichts weiter. "Weißt du, selbst ohne Händchenhalten, als ob wir noch ein Pärchen wären, würde ich dir folgen und nicht weglaufen." Aber das auch nur, weil wir gerade auf der Suche nach meiner Mom waren. Und so gingen wir weiter den schmalen Weg Hand in Hand entlang.

Es war schon mal ein Anfang , dass sie nicht versuchte mir ihre Hand zu entziehen. Ich lief langsam weiter , denn die Spur war äußerst schwach. Dann musste ich stehen bleiben , weil ich den weiteren Weg erst wieder wahrnehmen musste und das war schwierig. Hier schien der Entführer länger stehen geblieben und hin und her gelaufen zu sein. "Hier hat er wie es aussieht auf Jemanden gewartet." erklärte ich ihr.

Nun versuchte ich einfach keine weiteren Hintergedanken seinerseits zu vermuten. Es ging hier um wichtigeres. Sollten wir doch Händchenhalten, ich ließ mich nur von ihm führen, nichts weiter. Plötzlich blieb er stehen. "Was ist?" fragte ich sofort und schaute mich um. Witterte er irgendetwas? Dann erklärte er mir, dass dieser Mistkerl auf jemanden gewartet haben muss.  Ich schluckte. "Dann sind es mehrere. Sie tun meiner Mom bestimmt weh. Vielleicht bekomme ich sie gar nicht mehr zurück." malte ich mir nun das Schlimmste aus und fing leicht an zu zittern.

Ich hasste es sie so zu sehen und zog sie einfach an mich und nahm sie tröstend in den Arm.
"Ich werde sie dir heil zurück bringen und JEDER der etwas mit der Sache zu tun hat wird bestraft." versprach ich ihr erneut.

Auf einmal und ohne dass ich in dieser Sekunde damit gerechnet hätte, nahm er mich in seinen Arm. Normalerweise hätte ich sicher dagegen protestiert, doch im Moment brauchte ich wohl genau das. Also ließ ich es widerstandslos zu und war insgeheim froh darüber, dass er mir so eine Stütze war. Auch hörten sich seine Worte wie ein Versprechen an. "Wieso tust du das? Ich meine, wieso hilfst du mir? Wieso bist du für mich da? Wieso ist es dir so wichtig, dass ich meine Mom wieder bekomme? Ich war in der letzten Zeit nämlich nicht unbedingt nett zu dir."

Ich sah ihr mit ernster Miene ins Gesicht und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
"Weil DU mir wichtig bist. Ich sagte dir schon mal das DU gerade das wichtigste in meinem Leben bist.Außerdem
glaube ich mich zu erinnern das du mich in einer extrem schwarzen Stunde erlebt und diese nicht ausgenutzt hast um dich an mir zu rächen. Du bist später zwar einfach geflüchtet, aber DAS halte ich dir nicht weiter vor. " es folgte ein kurzer Kuss auf die Stirn. "Ich wil dir beweisen das ich auch anderns sein kann."

Es kam etwas aus seinem Mund, das man bei ihm einfach nicht gewohnt war. So als würde der Mensch in ihm zum Vorschein kommen und das Hybridenmonster unterdrücken. Erst wollte ich ihn stoppen, doch ich konnte nicht. Insgeheim wollte ich genau so etwas hören. Hören, dass ich für jemanden wichtig war und dass derjenige alles in seiner Macht stehende tun würde, um mir zu helfen, indem er meiner Mom half. Er warf mir nicht mal mehr vor, dass ich geflohen war. "Weißt du, so bin ich auch nicht. Ich hätte mich nie richtig an dir gerächt. Ich war sauer, aber trotzdem. Du hast mir leid getan. Außerdem weiß ich, dass du anders sein kannst. Ich habe es selbst gesehen. Und in diesem Moment sehe ich es wieder" flüsterte ich und versuchte ihn anzulächeln.

Sie machte mich richtig weich und wenn ich mit ihr zusammen war , gefiel mir das. Nur konnte sie auch verstehen , dass ich nicht IMMER so sein konnte ? Ich musste vor den anderen der alte Klaus , der Monster Klaus sein. Ich hatte viel zu viele Feinde die sofort über mich herfallen würden .

Den Klaus, den er mir im Moment wieder mal zeigte, mochte ich viel lieber, als jenen der nur Unruhe stiftete und anderen das Leben schwer machte. Denn wenn er so war, wie in diesem Augenblick, kam es mir so vor, als ob ich mich vollkommen neu in ihn verlieben würde. Und genau so sah ich ihn in dieser Sekunde auch an. "Jedenfalls möchte ich mich bedanken. Dafür dass du mich nicht hängen lässt, obwohl ich es eigentlich verdient hätte."

"Nein, das hast du nicht verdient." ich strich ihr noch einmal über die Wange.
"Komm lass uns weiter suchen , bevor die Spur kalt wird und es noch schwieriger wird ihn zu fangen."
ich schnupperte kurz und fand die Fährte wieder die durch einen weiteren Garten führte und dann in Richtung aus der Stadt.

"Doch, hätte ich." widersprach ich flüsternd. Aber er hatte recht. Wir mussten weiter machen. Diese ganze Gefühlsduselei sollte besser hinten angestellt werden. Zum Glück sah ich meinen eigenen verliebten Blick nicht, den ich ihm bis vor wenigen Sekunden noch zugeworfen hatte. "Wo haben diese Dreckskerle meine Mom nur hingebracht?" murmelte ich wütend vor mich hin, als es weiterging. Dabei klammerte ich mich fest an ihn. "Und hey, wir beide sind vielleicht doch nicht so ein schlechtes Team, wie ich dachte." Das hatte ich noch loswerden müssen.